Zeitgenössisches Ballett
Eine schwarze Wand – Mauer, Schreibtafel und begrenzender Hintergrund, vor dem die 16 Tänzer in immer wieder überraschende und eruptive Tanzsequenzen auszubrechen schei-nen, bildet das monumentale Zentrum von Ohad Naharins 70-minütigem Tanzstück. Als ob er den Virus seiner Kreativität an seine Tänzer weitergegeben hätte, schöpft der israelische Choreograf aus den persönlichen Qualitäten seines internationalen Ensembles. Basierend auf dem Text „Publikumsbeschimpfung“ von Peter Handke brechen komplexe choreografi-sche Strukturen, theatrale Elemente und emotional aufgeladene Szenen immer wieder ab, als ob die Erwartungshaltung einer wie auch immer gedachten geschlossenen Form unter-laufen werden soll: Die schwarz-weißen Kostüme umschließen Hände und Füße, wie um direkten Kontakt zwischen den kontrastreich unterteilten Körpern zu vermeiden und den Virus der Auseinandersetzung und Überschreitung von Grenzen, die Suche nach Glücksmo-menten, die „Naharin’s Virus“ zu atmen scheint, nicht zu übertragen.
Der israelische Choreograf ist künstlerischer Leiter der 1964 von Martha Graham gegründe-ten Kompanie, die heute zu den weltbesten Tanz-Ensembles zählt.
„So entsteht aus der ästhetischen Verweigerung ...trotz allem auch ein humanistisches Statement: ein Be-kenntnis zum Neuanfang, eine Hymne auf die Entscheidungsfähigkeit“ (Franz Anton Cramer, Frankfurter Rund-schau 9/2002)