Ah! Quel Cinéma!
Die Geschichte von STEREO TOTAL begann vor 26 Jahren, als sich LOLITAS-Chanteuse Françoise Cactus und der Multi-nicht-Instrumentalist Brezel Göring erstmals über den Weg liefen. Zunächst begann die Band, die aus diesem Zufallstreffen entstand, sich ein verquastes Regelwerk aufzuerlegen; nicht unähnlich dem „Dogma“-Manifest von Lars von Trier stellten Cactus und Göring eine Handvoll „Dos und Don’ts“ für ihre Musikproduktionen zusammen.
Kein Instrument teurer als fünfzig Mark, man wollte auf Virtuosität verzichten, Texte in allen Sprachen außer Englisch, Studioaufnahmen mussten den technischen Standard unterschreiten, großen Plattenfirmen darf niemals vertraut werden.
Diese Regeln waren natürlich nicht in Stein gemeißelt, und mindestens eine davon wurde regelmäßig gebrochen. Unter diesen Bedingungen spielte die deutsch-französische Minimalisten-Combo seit 1995 nicht weniger als stolze 16 Alben ein, zunächst noch als Quartett.
2001 schrumpften sie sich durch den Abgang von Angie Reed (Bass) und San Reimo (Orgel) gesund und gehen seitdem als „Powerduo“ zu Werke. Ihren Sound kann man leider nur mit dem abgedroschenen Begriff „eklektizistisch“ bezeichnen.
STEREO TOTAL spielen einfach das, was ihnen gerade gefällt. Ob sie’s können oder nicht, spielt keine Rolle, es muss Spaß machen und einigermaßen nachvollziehbar klingen. Mit „Ah! Quel Cinéma“ setzen Brezel und La Cactus gleich zwei Ausrufezeichen.
Ihr erstes Album für das Hamburger Independent-Superstar-Label Tapete bricht natürlich nicht mit dem Kanon des bizarren Geschmacks, der irrenhausartigen Irrfahrt durch Chanson, Indiepop, Disco, NDW und LoFi-Garage.
Und ebenso wenig sind die beiden in irgendeiner Weise berechenbar. Gleich der Opener „Einfach“ beschränkt sich weitestgehend auf die Wörter „Es ist nicht leicht, einfach zu sein“, von Françoise mit einem simplen Drumbeat vorangetrieben, währen Brezel sich an einer DAF-artigen Synth-Bassline versucht.
Nicht mehr, nicht weniger. Dann gibt es einen ausgesprochenen sonnigen Breitwand-Pop-Song namens „Cinemascope“, der einerseits Krautrock, aber auch French-Disco-Harmonien und kitschige Streicherensemble kombiniert.
Bombensong, würde sicher auch mit einer „richtigen“ Band in einem echten Studio bestens funktionieren, vielleicht sogar zum Hit werden. „Brezel says“ bricht mit der „No English“-Regel, ist aber egal, wenn’s passt.
Mit „Da da da“-Casio-Piepsbeat und geborgten Bob Dylan-Akkorden („Lay lady lay“) wird dann irgendwie eine Hommage an Lou Reed daraus. STEREO TOTAL arbeiten stets mit ihrer unbefangenen Collagen-Technik, bleiben sich dabei stets treu, sie sind nach wie vor so experimentierfreudig wie kompromisslos, auf diesem Album feuern sie in absoluter Bestform aus allen Rohren.