Shake Electric
Als die SPIDERS 2012 mit „Flashpoint“ ihr Debüt veröffentlichten, war nicht nur ich von ihrem rotzigen Seventies-Autoscooter-Rock hingerissen, GRAVEYARD und KVELERTAK schienen auch nicht ganz unbeeindruckt und nahmen die Schweden prompt als Special Guests mit auf Tour.
Bei der ich sie fast live erleben durfte, aber dann dank der (un)christlichen Anfangszeiten für Supportbands in der Hamburger Markthalle nur noch „Thank you, das war’s“ hörte und Sängerin Ann-Sophies schicken Lederoverall von hinten bewundern durfte.
Nichtsdestotrotz war „Flashpoint“ für mich eine der Top-Ten-Platten des Jahres, denn die knapp dreißig Minuten schafften es, dem längst ein wenig fußlahm gewordenen Genre des Retrorocks die Sporen zu geben, indem sie MOTÖRHEAD und SHOCKING BLUE in einen Kessel schmissen, ordentlich einheizten und diese herrlich ungehobelte Platte aufnahmen.
Damit legten sie die berühmte Messlatte natürlich ganz schön hoch. Zeitsprung. Einmal 2014 und direkt wieder vierzig Jahre zurück. Es ist immer noch gefühlt Mitte der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
„Shake Electric“ erscheint. Statt Leder und Mopeds zieren nun Stardust und Glitzer das Cover, statt wie frisch aus der Garage klingen die SPIDERS wie T-REX mit Jinx von COVEN am Gesang, wie David Bowie, der vom Geist von GIRLSCHOOL besessen ist, wie GRAVEYARD feat.
HEART. Das ist nicht mehr Hinterhof, das ist schon fast große Bühne. Rasant wird klar, dass die Schweden nicht nur sagenhafte Live-Qualitäten besitzen, sondern dass sie es bei der Aufnahme geschafft haben, diese gleichermaßen zu konservieren.
Mit dem Opener „Mad dog“, der sich mit seinem stampfenden Riff wie ein tollwütiger Hund in der hirninternen Festplatte festbeißt, zünden die vier die Triebwerke ihres Rock’n’Roll-Starships, mit dem (und mit jedem weiteren Song) sie die oft zur Hilfe geholte Latte nicht nur überspringen, sondern sie mit einem Sternenstaubschweif in Lichtgeschwindigkeit überfliegen.
Weiter geht’s mit dem Titelsong „Shake electric“, der zeigt, dass die Göteborger so viel mehr Facetten besitzen, als sie auf dem Vorgängeralbum gezeigt haben. Sie sind psychedelisch, protorockig, glampunkig, bluesig, mystisch, aber laufen dabei niemals Gefahr, die rauhen Wurzeln zu verlieren.
Dafür sorgt auch die begnadete Frontfrau Ann-Sophie Hoyles mit ihrer wunderbar leidenschaftlichen Stimme. Bei „Lonely nights“ beschwört sie den Geist Phil Lynotts herauf, mit „Control“ tritt sie ordentlich Hintern, um im nächsten Moment mit dem Herzbrecherblues „Hard times“ deine Seele wie ein kleines, flauschiges Kätzchen vor der Dunkelheit zu retten.
Lange Rede, kurzer Sinn: mit diesem Raketenalbum haben die SPIDERS sich in die erste Riege der skandinavischen Schlaghosenrocker katapultiert.