DC Special
Wenn Lieblingsbands nach langer Zeit – das Minialbum „Complete Control Recording Sessions“ erschien 2011, davor „Fumble“, 1989 eingespielt, vor dreißig (!) Jahren – Neues veröffentlichen, schwingt immer „Sorge“ mit: Was, wenn das jetzt nicht so knusprig ist? SCREAM zerstreuen solche Bedenken mit den zwölf Songs des Vinyls von „DC Special“ mühelos, mit den sechs „Bonustracks“ der CD-Version (für Vinylinist:innen als Download!) nachhaltig. Im Kern des Albums steht dabei mit Sänger Peter Stahl, seinem Bruder, Gitarrist Franz Stahl, Bassist Skeeter Enoch Thompson und Drummer Kent Stacks jene Besetzung der Band, die mit „Still Screaming“ 1983 das erste Album einer Band auf Dischord Records veröffentlicht hat – obwohl SCREAM eigentlich aus Virginia, und nicht DC stammen ... Dass Drummer Stacks im September 2023 seinem Krebsleiden erlegen ist, färbt das Album bittersüß, und es fällt schwer, diese Zeilen aus dem wunderschönen, reduziert-akustischen Song „Last of the soft“ nicht in diesem Kontext zu hören: „No more hospital beds / And there’s too much goddamn death“. Und doch klingt „DC Special“, das als eines der letzten Alben in den legendären Inner Ear Studios von Don Zientara entstanden ist, vor allem frisch und, ja, geradezu triumphal. Hier werden mit Nachdruck das Leben und die Musik zelebriert, mit einem cast of dozens, Freund:innen aus der Dischord/D.C.-Community. Darunter Dave Grohl ebenso wie Ian MacKaye (der gemeinsam mit der Band produziert hat), Brian Baker oder Amy Pickering (FIRE PARTY). Und der Dischord-Nerd zuckt vor Freude, weil bei „Represent“ Onam Emmett, formerly Tomas Squip (BEEFEATER, FIDELITY JONES) Stimme und Gitarre erhebt: „Let’s pass some love for humans and unity, DMV music BXR got PMA, we pay to cum, we play for life.“ Und die Hardcore-Auskenner:innen wissen: „pay to cum“, BAD BRAINS-Referenz! Wenn Sänger Pete Stahl im Interview in dieser Ausgabe davon spricht, dass sich ihr Konzept für „DC Special“ nicht ganz ausgegangen sein mag, dann hat mensch als Hörer doch den Eindruck, hier geht es um etwas, spürt mensch, was SCREAM beabsichtigten: „Wir wollten eine Platte machen, die unsere Community und unsere Szene feiert, und darüber die Geschichte unserer Band erzählen.“ Diese Community, diese Szene, diese Band korrespondieren dabei mit vielen Communities, Szenen, Bands around the globe. Hier haben SCREAM, die schon immer rocken können wie nichts Gutes, nach Jahrzehnten des Musikmachens einen Überschwang, eine Dringlichkeit, zugleich eine Leichtigkeit und Abwechslung in ihrem Sound, in den Songs, die so mittlerweile selten zu hören oder zu spüren sind. Alles, was ich von einer Platte will, aber längst nicht mehr erwarte. „Baby give your hand to me / Our journey so timelessly / Bet you never thought ...“ („Lifeline“).