Nina Hagen Band / NunSexMonkRock / Fearless
Im Rahmen der „Original Album Classics“-Reihe sind das erste, dritte und vierte Album von Nina Hagen erschienen, jeweils in minimalistischer Ausstattung, also LP-Cover im Mini-Pappschuber-Format, drei davon in einer Pappbox, keine Linernotes oder Texte, dafür billig.
Das Phänomen Nina Hagen zu verstehen ist, so behaupte ich, nur möglich, wenn man vor 1970 geboren wurde. Dann war man alt/jung genug, Ende der Siebziger aufzuwachsen, als Punk mit ordentlicher Verspätung auch die provinzielleren Regionen dieses Landes erreichte – oder zumindest das, was man in seiner jugendlichen Verpeiltheit für Punk hielt beziehungsweise als solchen serviert bekam.
Nina Hagen, die erst in der DDR als so was wie ein Teeniestar Karriere gemacht hatte und dann Mitte der Siebziger im Rahmen der Ausweisung des DDR-Bürgerrechtlers und Liedermachers Wolf Biermann ebenfalls im Westen landete, war (und ist) das, was man gerne als „enfant terrible“ bezeichnet: ein provozierendes Lautmaul, dem man mal mit Freude, mal mit Erstaunen, mal mit Entsetzen begegnet(e).
So was kann man von der Geisteshaltung durchaus mit Punk vergleichen, und wenn dann auch noch Kleidung und Frisur entsprechend gehalten sind, konnte man als Teenager durchaus diese Frau Hagen mit ihrer mal piepsigen, mal lauten, mal die Opernausbildung verratenden tremolierenden Stimme für Punk halten.
Und außerdem sind auf dem 1978er-Album der NINA HAGEN BAND ja auch zwei Titel enthalten, die genau das implizieren: Gleich zu Beginn der eingedeutschte Coversong „TV-Glotzer“ alias „White punks on dope“ der aus San Francisco stammenden Provo-New Wave-Rocker THE TUBES, zum Schluss „Pank“, und zwischendrin jede Menge Stücke, die Themen ansprachen, die in der „BRD“ nach dem gerade überstandenen RAF-Terror die spießigen Eliten nicht hören wollten.
Sex, Abtreibung, Drogen, Emanzipation, damit konnte man damals noch schocken – ein Stück wie „Auf’m Bahnhof Zoo“ war in der Zeit, als Christiane F’s Bekenntnisse „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ Eltern erschreckten und Jugendliche faszinierten, so provotauglich wie jede „echte“ Punkplatte.
Dass die Musik dazu nur hier und da überhaupt mal „echter“ Punk war, spielte da keine Rolle, man hatte ja keine Ahnung und keinen Vergleich. Denn, und das fällt mit über 30 Jahren Distanz auf: Hagens Begleitband, die nach dem zweiten Album „Unbehagen“ (1979, in dieser Box seltsamerweise nicht enthalten) unter dem Namen SPLIFF zu einer der großen Nummern der (schlechten) NDW wurde, hatte keine Ahnung von Punk, spielte zu Hagens Extravaganzen teils unfassbar schrecklichen Rockmurks mit funky Ausflügen, der einem heute die Schamesröte ins Gesicht treibt.
Sich heute solche Musik anzuhören bedarf eines nostalgischen Schubs (falls Ü40) oder neugieriger Unerschrockenheit (U40). In diesem Sinne ebenfalls noch „Okay“ war das erwähnte, nicht enthaltene zweite Album, mit dem die NINA HAGEN BAND Geschichte war, und so ging es fortan solo weiter.
Punk war Frau Hagen ab da (und bis heute) sowieso nur noch für in musikgeschichtlicher Hinsicht Bildungsresistente, also Journalisten szeneferner Medien, die bei „schräger“ Frisur und „losem Mundwerk“ sofort „Punk“ schreien.
1982 erschien das in New York produzierte Album „NunSexMonkRock“, das musikalisch klar von den damaligen musikalischen Trends des „Big Apple“ beeinflusst wurde. Rap-Elemente, No-Wave-Versatzstücke, Funk und Rock wurden ordentlich verquirlt und erregen heute zumindest bei mir zwar keine Begeisterung, qualifizieren das Album in Verbindung mit Hagens exaltiertem Gesang aber durchaus für einen Platz im Absurditätenkabinett der „Incredibly Strange Music“.
Ähnliches lässt sich über das 1983er Werk „Angstlos“ sagen, das in dieser Box in der 1984 erschienenen englischsprachigen Version „Fearless“ enthalten ist. Produziert von Giorgio Moroder, der seinen Platz zwischen Legende und „schlimmer Finger“ noch finden muss, hat die Platte durchaus ihre Reize, aber auch die offenbaren Stücke wie „New York, New York“, „Zarah“ oder „Springtime in Paris“ nur, wenn man damals 16 war und entsprechend verwirrte Teenie-Erinnerungen daran hat.
Damals schon nervte Nina Hagen mit ihrem spirituellen Getue und wirrem UFO-Geplapper, und spätestens seit ihrem Jesus-Coming out vor ein paar Jahren und ihrer Autobiografie 2010 ist die Frau vollkommen unerträglich.
Dennoch: Popkulturelle Bedeutung kann und darf man ihren frühen Alben nicht absprechen.