Morrissey ist ohne Frage der große Gentleman der britischen Popmusik. Seine treue Anhängerschaft schätzt ihn nicht nur für sein stilvolles Auftreten, die opulent perlende Musik und souveräne Haltung gegenüber Massenmedien, Politik und dem eigenen Erfolg. Die 49jährige Stilikone wird ebenso verehrt für ihre lyrische Leidenschaft, mit der komplexe, kontroverse und auch unbeliebte Themen angepackt werden. In den 21 Jahren seiner Solokarriere schrieb Morrissey, der von seinen Fans neckisch Moz oder Mozzer genannt wird, acht brillante Alben voll gesellschaftlicher Statements, persönlicher Geschichten und edel tönendem Sound, wie ihn nur ein echter Brite zaubern kann. Im Februar erscheint sein neuntes Soloalbum Years Of Refusal, das klanglich wieder stärker an seine bislang rockigste Phase mit You Are The Quarry (2003) anknüpft. Mit neuer CD im Gepäck geht Morrissey 2009 auf Welttournee, die ihn zwischen dem 9. und 14. Juni auch für vier Konzerte nach Deutschland führen wird.
Als Steven Patrick Morrissey am 22.05.1959 in Davyhulme, einem Vorort von Manchester, zur Welt kam, lernte er schnell, was es bedeutet, ein Außenseiter zu sein. Seine Eltern waren irisch-katholische Einwanderer, die sich mit den laxen Sitten in der Arbeitersiedlung, in der er aufwuchs, schwer taten. So verbrachte er als Kind die meiste Zeit zu Hause. Mit sieben begann er, Schallplatten zu sammeln. Er wollte damals noch in die Fußstapfen seiner Mutter treten und Bibliothekar werden. Diese tiefe Verbundenheit zur Literatur und Lyrik spürt man in jeder Zeile, die er schreibt. Insbesondere die Bücher von Oscar Wilde sowie A Taste Of Honey, ein Drama der irischen Schriftstellerin Shelagh Delaney, üben bis heute einen nachhaltigen Einfluss aus. Bedingt durch seine irische Außenseiterrolle, war seine Jugend von Depression geprägt. Er hatte kaum Freunde, nahm Antidepressiva und verließ selten sein abgedunkeltes Zimmer, in dem er oft tagelang auf einer Schreibmaschine tippte.
Wie kein Zweiter verbindet Morrissey beißende Selbstironie, sehnende Theatralik und aufrichtige Melancholie, intellektuell und politisch beeinflussten Wortwitz und individuelle, zuweilen betont kantige Pop- und Rockmusik zu klingenden Ereignissen. Die englische Presse, die ihn einerseits zum neuen Musikgott erhob, greift ihn andererseits immer wieder wegen seiner zynischen, mehrdeutigen Texte an. Er verarbeitet mal biografisch, mal betont allgemeingültig Themen wie soziales Außenseitertum, Tierrechte, Sexualität und unerwiderte Liebe.
Für jedes Album stellt er ein neues Team aus Musikern, Songwritern und Produzenten zusammen, um so der Gefahr der Wiederholung zu entgehen. Einzig Produzent Jerry Finn hat bereits mehrfach mit ihm gearbeitet. Unter seiner Regie entstand auch das im Februar erscheinende neunte Werk Years Of Refusal, das tragischerweise die letzte Arbeit Finns bleiben wird. Nur einen Monat nach Fertigstellung erlag er im Alter von 39 Jahren einem Gehirntumor. Wer Morrissey kennt, diesen kauzigen, klugen, kompromisslosen Grandseigneur, der ahnt, dass er Jerry Finn auf seinen anstehenden Konzerten ein Denkmal setzen wird.