Common Thread CD / Eating Glass CD
Als die SPERMBIRDS 1990 via X-Mist "Common Thread" veröffentlichten, ging es gerade erst los damit, dass Hardcore eine Massenbewegung wurde. Dass man nicht nur zuhause seine Lieblingsmusik hören konnte, sondern dass es plötzlich sowas wie "Alternative-Discos" gab und DJs "Melt the ice" spielten, bei den SPERMBIRDS die Tanzfläche voll war. Und das war noch vor NIRVANA und OFFSPRING, vor RAGE AGAINST THE MACHINE und BIOHAZARD. Die Platte war die Reunion-Scheibe einer Band, die mit "Something To Prove" und "Nothing Is Easy" zu DER Punk/Hardcore-Band der späten Achtziger geworden war, deren Konzerte immer ausverkauft und Garant für ausgelassene Stimmung waren. Doch leider waren die SPERMBIRDS auch immer launische Gestalten, und so war nach den beiden Alben erstmal Schluss - bis zur nächsten Reunion. Ein auch in Zukunft gerne zelebriertes Bandritual. Nach den beiden straight durchbretternden Vorgängeralben zeigten sich die SPERMBIRDS, was durchaus alte Fans verwirrte, als groovenden, langsameren, ja beinahe rockenden Tönen aufgeschlossene Band, was aber in die Zeit passte: JINGO DE LUNCH (zuvor Labelmates der Band bei We Bite), VERBAL ASSAULT ("Anger battery", ein Über-Song!) und die späten BAD BRAINS ("Quickness" war 1989 erschienen) hatten Spuren hinterlassen und man nahm klanglich Kurs auf das, was später als Crossover von anderen in sehr unangenehme Richtungen getrieben wurde. Mit dem Opener ist hier aber das Pulver nicht verschossen gewesen, meine Überhymne war und ist "Only a phase", ein textliches Meisterwerk, in dem mit all jenen abgerechnet wird, die das, woran sie mit Anfang 20 noch glaubten, später nur noch zynisch mit den Füßen treten. Ein Song, ein Text, den ich auch heute noch gerne Leuten ins Poesie-Album schreibe. Ebenfalls bemerkenswert: "Stronger" mit Yvonne Ducksworth von JINGO DE LUNCH am Mikro, "Truth of today" (ebenfalls ein sehr guter Text, gemünzt unter anderem auf die damals mit ihrem Hare Krischna-Quatsch nach Europa einfallenden YOUTH OF TODAY) oder "Victim of yourself". Dazu dann noch drei Bonus-Tracks gegenüber dem Vinyl damals, und das alles in remasterter Soundqualität, die unglaublich direkt, wuchtig und frisch klingt. Ein absoluter Klassiker. Das gilt nur bedingt für den Nachfolger "Eating Glass", der 1992 erschien. Da hatte sich der Himmel über den SPERMBIRDS schon wieder verdunkelt, jemand, der es wissen muss, schreibt im dem Rerelease beiliegenden Info was vom "in der Luft liegenden Split", und so macht der Titel auf jeden Fall Sinn: eine harsche, wütende, nicht an die Eingängigkeit des Vorgängers anknüpfende Platte. Rückblickend ist man mit der Produktion nicht ganz zufrieden, obwohl einst Olaf Opal im Homburger Dead Eye-Studio (betrieben von der Bruderband 2BAD) die Finger an den Reglern hatte, und dazu passt, dass Uschi, während das Album das sonntägliche Frühstück begleitete, meinte, irgendwie klinge das ja so unfertig. Der Album-Sound als Spiegel der Stimmung in einer Band? Wut, Frust, Aggression - es gibt schlechtere Triebfedern für eine Hardcore-Platte. Ich persönlich fand zu dieser Platte nie den rechten Zugang, andere sehen dagegen "Waiting for the bomb to drop" und "Back in time" als Highlights, aber rückblickend hat auch "Eating Glass" seine starken Momente. Als Bonus gibt's hier übrigens die "Joe"-6-Song-EP, damals eine Art Resteverwertung auf hohem Niveau, denn man hatte die bei der Albumproduktion übrig gebliebenen Songs nach Frankreich zu Iain Burgess zum Mastern geschickt, und der Mann war damals sowas wie eine Produzentenlegende. "Tell me about it" ist jedenfalls ein Hit. Was danach kam? Zwei lausige Platten mit einem Ersatz-Sänger, was ungefähr so viel Sinn machte wie die DEAD KENNEDYS ohne Jello Biafra, der Versuch, den kommerziellen Durchbruch zu schaffen, eine weitere Auflösung und schließlich 2004 doch wieder ein neues Album - mit Lee Hollis. To be continued ... Beide CDs kommen als Digipack mit allen Texten, aber leider ohne Linernotes. Schade, ich denke Oberzyniker Lee hätte da sicher einiges zu erzählen gehabt. (09/10 bzw. 07/10)