1000 Hurts LP/CD
Der "Song Against Itself" steht symptomatisch für die neuen alten SHELLAC. Irgendwie scheint Steve Albini gemerkt zu haben, dass sein aggressives musikalisches Verhalten zur Reproduktion verkommen ist. Selbstzweifel zu Postrock. Komisch finde ich immer wieder dabei, wie ernst er sich selbst in seiner Haltung nimmt, als ob er durch seine Show irgendwie zu einer höheren Realität, zu einer Wahrheit gelangen könnte, die in ihrer Härte gegen sich und gegen ihre eigene ausgestellte Härte steht. Das ist ein Ding für Jungs, genauso wie Matchboxautos sammeln. Genauso wie Perry Rhodan lesen. Genauso wie Henry Rollins scheiße finden. Und dann macht er doch wieder nur eine Platte, die mich vor allem erinnert: an 1991, an eine Zeit, in der die Albinihärte das Größte für mich war, an die kryptischen Angaben auf SHELLAC-Covern, die mit Typenbezeichnungen von sündhaft guten Mikrofonen vollgekritzelt waren. Das Coverartwork von "1000 Hurts" ist der Verpackung von Tonbändern nachempfunden und verweist wieder einmal mehr auf die Aufnahmetechnik, die für Albini ganz offensichlich Lebensinhalt ist. Wenn es keine Neumannmikrofone geben würde, Steve hätte sie erfunden. Der Haken besteht dann darin, dass in dieser Box aber dann doch eine CD liegt, ein digitaler Datenträger, kein analoger. Die harte Wahrheit ist eben nicht zwingend analog. Wie dem auch sei, die Musik lebt in der Tradition der amerikanischen College-Bands, will sich aber weiterentwickeln, weil deren Tradition eben gerade besagt, dass alte Formen negiert werden müssen, fällt aber immer auf diese zurück, weil das Schema der Entwicklung (durch die klassische Instrumentierung Gitarre, Bass und Drums) scheinbar vorgegeben ist. Und dass weiß auch jedes Kind: Ein System, dass seine Negation in sich selbst produziert, wird eben dadurch um so autarker: SHELLACs System besteht in der Dreierbesetzung der Band. Jedes Instrument spielt hier eigenständig, gegeneinander, setzt seine eigenen rhythmischen Schwerpunkte, und die verblüffenden Tempiwechsel fügen die drei Individuen wieder zu einem festen Ganzen zusammen. Das ist aber alles nichts Neues. SHELLAC ist im besten Sinne des Wortes die wertkonservative Band einer revolutionären musikalischen Form. Andere werden sagen, dass sie die neue SHELLAC letztendlich doch langweilig und lächerlich finden. Ich sage, dass diese analog produzierte, verärgerte Musik so dringend nötig ist, wie Aspirin nach einer durchgezechten Nacht (für so alte Knacker wie mich).