Coleur
Man muss bei diesem Trio aus Aachen nicht lange im den heißen Brei herumreden: FJØRT sind vielleicht das Bandphänomen der vergangenen Jahre schlechthin. Zumindest wenn es um deutschsprachige Bands aus dem Genre Post-Punk/Hardcore geht.
Wer FJØRT hört, der hört die Blaupause für den aktuellen Status quo dieses Genres. Wer FJØRT hört, der hört den Maßstab und die Richtlinie, an der sich alle anderen zu orientieren haben. Und warum? Weil diese Band einzigartig ist.
Da wären ihre seltsam wunderbaren Platten- und Songtitel, auf die wir ja auch im Rahmen des Interviews in dieser Aufgabe eingehen. Diese Liebe fürs einzelne, nicht alltägliche, stets anders als das gesprochene Alltagswort klingende Wort.
„D’Accord“, „Kontakt“, nun „Coleur“. „Magnifique“, „Eden“, „Paroli“. Ein Blick aufs Cover genügt, um zu wissen, dass Besonderes wartet, wenn der Tonträger einmal in den CD-Spieler geschoben oder auf den Plattenteller gelegt wurde.
Da wären des Weiteren die Texte, die in ihrer kryptischen Struktur ein wenig an TURBOSTAAT erinnern, die aber anders, griffiger, zu Herzen gehender sind – weil sie karger daherkommen und Wert auf kleine Sätze und auf – eben – Bedeutung und Schönheit des einzelnen Wortes legen.
Und da ist nicht zuletzt diese Musik, die szeneweit und darüber hinaus ihresgleichen sucht. FJØRT verbinden aggressive, bisweilen brutale Gitarrenriff-Attacken und deren Wucht mit einer Melancholie, die so dicht und nachvollziehbar ist, dass es einen aus den Schuhen haut.
Stille, Andacht, Wut, Krawall, Traurigkeit werden zu einem monolithischen Ganzen, das ein Darin-Versinken unausweichlich macht. Man muss ja immer aufpassen mit Superlativen, aber so episch und beseelt hat im Genre, das FJØRT beackern, seit Ewigkeiten nichts mehr geklungen.
Wenn überhaupt. „Coleur“ ist im Rahmen dieses eigenen, stimmig in sich geschlossenen Lyrik- und Soundkosmos die einzig logische Fortsetzung der bisherigen Diskografie. Persönliches und Intimes, zuerst nur zu erahnen, mit jedem weiteren Hördurchlauf aber immer mehr und mehr auf faszinierende Weise entschlüssel- und entknobelbar („Südwärts“), trifft auf konkret Politisches („Raison“).
Hall knallt auf Gedröhne. Und kleine, dezente Spielereien wie ein Synthesizer-Pluckern im grandiosen Ohrwurm „Eden“ setzen Akzente, die die Atmosphäre eines Songs dramatisch zu ändern vermöge.
„Coleur“ rauscht wie eine Welle auf einen zu, über einen hinweg und dann weiter gen Horizont. Wie eine Welle, die in ihrem Schwung, im Bogen ihrer Krone, in ihrer tiefblauen, satten Farbgebung und in ihrer tosenden Gischt perfekt ist.
Wer jemals danach fragen sollte, wie vertonte Ästhetik wohl klingen mag und dabei nicht auf die klassischen Gefilde Johann Sebastian Bachs zurückgreifen möchte, der braucht nur FJØRT zu hören.
Sie liefern die Antwort.