Lucid Again
Du kennst das Gefühl, wenn du lieber ganz andere Musik hören würdest, als dich durch den Plattenstapel zu hören, der in zwei Sendungen ankam (die du extra beim DPD-Depot abholen musstest, weil die Trottel stets zu arbeitnehmerunfreundlichen Zeiten vor der Türe stehen), und Reviews zu tippen? Also Musik, auf die du so richtig Lust hast? Ach, kennst du nicht? Glaub mir, was sich so toll anhört, nämlich alle zwei Monate ganz viele Scheiben auf einen Schlag frei Haus zu bekommen, kann ganz schön stressig sein, weil du musst! Dann auch noch eine Platte, die 2.400 Zeichen will, von einer australischen Band, die du bis dahin nicht im Fokus hattest.
Warum wohl?! Grummelbrummel. Bestimmt scheiße. Warum eigentlich CD und kein Vinyl? Ich hasse CDs. Dann schließt sich der CD-Player, und nach einer Minute ärgerst du dich über das mittlerweile zweite Bier sowie das Wissen darüber, dass diese Band exakt heute in einer knappen halben Stunde unerreichbar in Karlsruhe in der Hackerei die Bühne betritt.
Ohne dich! Innerlich verfluche ich mich, dass ich den Abend für Reviews leger geplant und bereits zwei Reinheitsgebote hinter mir habe, was die spontane Fahrt in die zweitplatzierte Landeshauptstadt zu einem unmöglichen Unterfangen macht, außerdem gibt es ja Menschen, die am nächsten Tag ihren Arsch zu Markte tragen müssen, damit andere ihren auf dem Sofa mit Pay-TV breitdrücken können.
Zack, schon das halbe Review gefüllt, gut was?! Nun aber mal Tacheles, schließlich bezahlt mich Joachim fürstlich (nicht), und das Label hat mir kürzlich einen alten Gebrauchtwagen mit abgelaufenem TÜV, fünf unbezahlten Strafzetteln und einem langsam wachsenden Ölfleck vor die Tür gestellt.
Die CLOWNS sind eine der wenigen echten Aha-Effekte, die ich in diesen Stunden der Einsamkeit hatte. Die Platte zündet tatsächlich sofort. Anpirschen, gekonnter Spannungsaufbau, rauszögern, Luft anhalten, noch ein wenig, Moment ...
Bäm! Eine komplette Platte ohne einen einzigen Ausfall, eine, die sich von Hit zu Hit hangelt. Die Sorte Hits, die andere Bands nicht einmal hinbekommen würden, wenn ihnen jemand anderes das Stück schreiben würde.
So frisch und wahnsinnig gut habe ich nur ganz, ganz wenige Platten erlebt, und jede davon gehört bis heute zu meinen Lieblingsscheiben. Wer diese Platte am Ende des Jahres nicht in seiner Bestenliste führt, der ist ein Popper oder einfach nur ein Depp.
Hochmelodischer, perfekt produzierter In-die-Fresse-Punk mit Hammerchören und göttlichen Gitarren, der so gekonnt und grandios auf den Punkt gebracht wird, dass ich mich nachher heimlich in den Schlaf weine, weil es in Stuttgart keinen Booker gab, der diese Band haben wollte.
Ich weiß, es ist zu früh, um von einem Klassiker zu sprechen, aber an deiner Stelle ... Grandios!